
Hast Du Dich je gewundert …
Wenn Du ein Geräusch hörst, drehst Du instinktiv Deinen Kopf in die Richtung, aus der es kommt …
Woher weißt Du, aus welcher Richtung es kommt?
Diese unglaubliche Hörfähigkeit nutzen wir tagtäglich, für Musik und im echten Leben. Aber nur wenige Leute verstehen, wie das funktioniert.
Darum erkläre ich es Dir heute.
Aber zunächst …
Warum haben Menschen diese wichtige Fähigkeit entwickelt?
Unsere Fähigkeit, die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, zu erkennen, funktioniert aufgrund eines Prozesses, den man binaurales Hören nennt, was man mit „mit zwei Ohren hören“ übersetzen kann.
Im Laufe der Evolution hat sich dieses System als das effektivste herausgestellt, mit dem Tiere die Richtung eines Geräusches in ihrer Umgebung erkennen können.
Und es ist offensichtlich warum diese Fähigkeit wichtig ist … wenn ein Raubtier Dich jagt, musst Du wissen, wo es ist, damit Du weg rennen kannst.
So half die Fähigkeit uns zu überleben, und sie ist heute noch hilfreich.
Es ist weniger offensichtlich, warum sie für Dich als Musiker wichtig ist …
Darum erkläre ich’s Dir.
Wie man dieses Wissen auf Musik anwenden kann
Wir wollen alle bessere Mischungen für unsere Aufnahmen, richtig?
Ein wichtiger Teil eine gute Mischung zu bekommen, ist es jedes Instrument an strategischen Positionen im Schallfeld zu platzieren.
Manche Instrumente gehören in die Mitte, andere an den Seiten. Manche Instrumente werden in der Nähe platziert, manche weiter weg.
Jedes Instrument klingt zwar so, als käme es von einem bestimmten Platz, aber in Wirklichkeit kommen sie alle aus dem gleichen Ort: aus Deinen Studiomonitoren (oder Kopfhörern). Oder anders gesagt …es ist nur eine Illusion.
Wenn Du in Deinem Mix eine gute Illusion haben willst, musst Du wissen wie Du Deine Ohren reinlegst. Dazu musst Du wissen, wie sie Informationen interpretieren.
Und so funktioniert’s …
Wie Deine Ohren RICHTUNGEN einschätzen
Das Geheimnis des binauralen Hörens ist die Positionierung Deiner Ohren.
Da sie sich an gegenüberliegenden Seiten des Kopfes befinden, hören Deine Ohren ein Geräusch unterschiedlich. Timing, Lautstärke, Frequenz und Lautstärkeverhältnis können anders sein. Diese Unterschiede sind Hinweise für Dein Gehirn, mit dem es die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, erkennen kann.
Nehmen wir ein Beispiel: Stell Dir ein unbekanntes Geräusch vor, das direkt links von Deinem Kopf seinen Ursprung hat.
Dabei interpretiert Dein Gehirn jeden Hinweis folgendermaßen:
1. Unterschiede im Timing
Wenn ein Geräusch von links kommt ist die Distanz, die es zu Deinem linken Ohr zurücklegen muss, etwas kürzer als zu Deinem rechten Ohr. Darum hört das linke Ohr das Geräusch einige Millisekunden vor dem rechten.
Das ist der erste Hinweis für Dein Gehirn, dass das Geräusch von links kommen könnte. Aber diese Information allein ist nicht genug. Es braucht noch mehr.
Der nächste Hinweis ist …
2. Unterschiede in der Lautstärke
Wir alle wissen, dass Geräusche schwächer werden, je weiter sie weg sind. Außerdem werden sie schwächer, wenn sie blockiert werden.
Wenn unser unbekanntes Geräusch von links kommt …
Wird es für Dein rechtes Ohr ein bisschen schwächer klingen, da es weiter weg ist. Und weil es von Deinem Kopf blockiert wird, klingt es nochmal schwächer.
Jetzt ist Dein Gehirn schon ziemlich sicher, dass es weiß was ab geht.
Aber da ist noch etwas …
3. Unterschiede in den Frequenzen
Wir haben gerade gesagt, dass ein Geräusch, das von links kommt, auf dem Weg zu Deinem rechten Ohr teilweise von Deinem Kopf blockiert wird. Was Du vielleicht nicht weißt, ist, dass NICHT alle Frequenzen GLEICHMÄSSIG blockiert werden.
Hohe Frequenzen haben weniger Energie und werden leichter von Hindernissen absorbiert als tiefe Frequenzen. Dein rechtes Ohr wird von unserem unbekannten Geräusch also MEHR tiefe Frequenzen und WENIGER hohe Frequenzen hören.
Das ist der letzte Hinweis.
Wenn alle 3 Hinweise zusammen passen … ist sich Dein Gehirn sicher, was es hört. Weil in der Natur diese 3 Hinweise IMMER zusammenpassen.
Wenn sie NICHT zusammenpassen (wie in einem Mix, wo sie manipuliert werden können) ist Dein Gehirn verwirrt und ist sich unsicher, woher das Geräusch kommt.
Jetzt fragst Du Dich vielleicht … Was passiert, wenn das Geräusch direkt von vorne kommt?
Denk darüber nach …
- Das Timing wäre in beiden Ohren gleich
- Die Lautstärke wäre gleich
- Die Frequenz wäre gleich
Und das wäre auch der Fall, wenn das Geräusch direkt von hinten käme. Aber wenn das im echten Leben der Fall ist, kannst Du den Unterschied deutlich hören, stimmt’s? Was ist da los?
Hier wird es SUPER INTERESSANT …
In so einem Fall ist Dein Gehirn kurz verwirrt. Darum löst es eine instinktive Reaktion aus, und Du drehst Deinen Kopf ein ganz kleines bisschen zur Seite.
Das geht so schnell und unauffällig, dass Du es nicht mal bemerkst wenn Du drauf achtest.
Diese kleine Kopfdrehung sorgt für genug Unterschied darin, wie beide Ohren das Geräusch wahrnehmen, dass Dein Gehirn erkennt, woher das Geräusch kommt.
Faszinierend, oder?
So erkennst Du Richtungen. Sprechen wir jetzt darüber, wie Du Entfernungen erkennst.
Wie Deine Ohren ENTFERNUNGEN einschätzen
Wenn Dein Gehirn die Entfernung eines Geräusches einschätzt, verlässt es sich weniger auf binaurales Hören, sondern auf die folgenden 3 Hinweise: den Frequenzgang, wie viel Hall wie viel Pre-Delay es gibt.
Schauen wir und diese Hinweise genauer an.
1. Hall (Reverb)
Die meisten von uns wissen es schon … je weiter eine Geräuschquelle entfernt ist, desto mehr Hall hat das Geräusch.
Dieser Hall von weit entfernten Schallquellen kommt daher, dass Dich fast nichts von dem Schall des Geräuschs direkt erreicht. Stattdessen wird er an zahlreichen Oberflächen reflektiert, bevor er Deine Ohren erreicht.
Das ist der erste Hinweis für Dein Gehirn, dass ein Geräusch weit entfernt ist. Der nächste ist:
2. Pre-Delay
Pre-Delay ist der Unterschied in der Ankunftszeit zwischen dem direkten Schall und dem reflektierten Schall.
In einer Umgebung mit vielen reflektierenden Oberflächen haben nahe Geräusche auch viel Hall, aber der zeitliche Unterschied zwischen direktem Schall und dem Hall wird groß sein.
Weit entfernte Geräusche haben eine kürzere Pre-Delay-Zeit, weil BEIDE Arten von Schall eine große Distanz zurücklegen müssen, um Dich zu erreichen.
Das ist der zweite Hinweis. Der letzte und vielleicht wichtigste ist …
3. Frequenzgang
Wenn ein Geräusch eine große Strecke zurücklegen muss, um Dich zu erreichen, wird ein großer Teil seiner hohen Frequenzen unterwegs zerstreut.
Warum?
Wie bereits gesagt, hohe Frequenzen haben weniger Energie als tiefe, darum werden sie leichter von der Umgebung absorbiert.
Über lange Distanzen sorgen Hindernisse wie verschiedene Geländearten, Gebäude und sogar die Luft dafür, dass hohe Frequenzen aufgelöst werden.
Das ist der letzte Hinweis. Wenn jetzt alle Hinweise zusammen passen, ist sich Dein Gehirn sicher, was es hört.
Und Jetzt?
Jetzt, wo das alles weißt, verdaue es erst mal. Achte auf die verschiedenen Geräusche um Dich, im echten Leben und bei Musik.
- Woher kommen sie?
- Welche Unterschiede hörst Du?
- Und was machen Deine Ohren und Dein Gehirn?
Denk darüber nach, bis Du es verinnerlicht hast. Du wirst ein besserer Musiker sein.